Ich möchte eine Geschichte über den starken Glauben einer Frau in der Ukraine erzählen. In den letzten Tagen fuhr ich mit dem Zug zu meinen Eltern. Eine Frau saß neben mir. Sie war traurig. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass ihr Sohn seit März 2022 in russischer Gefangenschaft ist und sie seit 5 Monaten nicht mehr mit ihm gesprochen hat. Sie wartet nur... und sie glaubt, dass er am Leben ist und bald zurückkehren wird. Ihre Geschichte und ihr starker Glaube haben mich tief bewegt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber ich wollte sie unterstützen. Ich nahm ihre Hand und sagte: "Öffne dein Herz für Gott, erzähle ihm von deinem Schmerz und er kann ihn heilen." Danach bot ich ihr an, gemeinsam zu beten. Wir beteten... und weinten... Als es Zeit war, sich zu verabschieden, sagte sie zu mir: "Ich danke Dir! Jetzt glaube ich noch mehr an seine Freiheit."
Es schellt an meiner Tür. Ein psychisch belasteter Mann bittet um Einlass. Ich kenne ihn seit Jahren und habe ihm – auch finanziell – immer wieder geholfen. Ich spüre einen gewissen Unmut in mir, will ihn aber auch nicht abweisen. Ich bitte ihn herein. Es lässt mich wissen, er sei traumatisiert. Ich frage nach. In seiner Wohnung scheint es einen Wasserrohrbruch gegeben zu haben und damit war er überfordert. Er war froh, dass alles teilen zu dürfen. Am Ende unseres Gespräches gebe ich ihm eine kleine Summe Geld. Er fragt mich, ob ich wisse, wo er in der näheren Umgebung jetzt einen heißen Kakao bekommen könne. Ich entscheide mich, ihm den noch zu bereiten. Genüsslich schlürft er ihn und ich höre ihm noch ein wenig zu. Als er sich verabschiedet, sagt er mit einem tiefen Strahlen in seinen Augen: „Du bist großartig!“ – Als ich später drüber nachdenke, kommt mir: Du bist artig dem Großen (Gott) gefolgt. Mit einem Schmunzeln auf meinen Lippen geht mein Tag weiter.
In einer Mail darf ich lesen: Heute war ich noch kurz bei der Pizzeria, für die ich als Jugendlicher Pizza ausgeliefert habe. Wir haben über die Jahre immer wieder Kontakt gefunden und uns auch über unseren Glauben ausgetauscht. Heute kam es wieder dazu. Als es – weihnachtlich – um Jesus ging, merkte ich, wie sich die anfangs freundliche Stimmung etwas abkühlte. Die Besitzer der Pizzeria sind Muslime. Da kam mir in den Sinn: „Aber wir haben doch all die Jahre diese freundschaftliche Beziehung gelebt und die ist doch weiterhin da, auch wenn wir in verschiedenen Religionen zu Hause sind!“ Als ich das aussprach, war auf einmal alles entkrampft und wir umarmten uns herzlich.
Seit Jahren kannte ich sie. Viele schwere und herausfordernde Wegetappen ihres Lebens hatte ich begleiten dürfen. Nun feierten sie Goldhochzeit. Sie kamen zu einer Messe in unsere Kirche. Im Lauf des Gottesdienstes wandte sich die Ehefrau mit einer bewegenden Botschaft an ihren Mann: „Wir haben uns vor 50 Jahren gesagt: Mit Gottes Hilfe schaffen wir das! Und wir haben das geschafft!“ Tränen waren in vielen Augen zu sehen. Dann erhob sich der Mann und an mich gewandt sagte er: „Ich hatte durch viele schlechte Erfahrungen in der Kirche meinen Glauben verloren. Ich wollte mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Und Du bist in der Zeit, in der es uns wirklich dreckig ging, gekommen und hast einfach geholfen. Da hast dafür gesorgt, dass unser Kühlschrank nicht mehr leer war und die Kinder was zu essen bekamen.“ Dann versagte ihm die Stimme. Er weinte. Auf einmal war eine Liebe spürbar, in der alle tief angerührt wurden.
In den vergangenen Tagen kam ein junges afghanisches Ehepaar mit ihren Söhnen in unseren Kleiderladen. Sie konnten für ihre Kinder nichts Passendes finden. Ich wusste, dass eine liebe Kollegin einen Sohn im passenden Alter hat und bestimmt sofort etwas für die Familie heraussuchen würde. Das hat sie auch getan und wir haben der afghanischen Familie die Sachen heute Abend gebracht. Es war ein total schöner und langer Abend. Sie waren so gastfreundlich und herzlich. Wir haben unser Leben geteilt und uns sehr miteinander verbunden gefühlt. Dann sagte der afghanische Mann, der mit seiner Frau in jungem Alter vor einigen Jahren unter Lebensgefahr aus seiner Heimat geflohen ist: „Ich hatte Gott verloren und bin durch die konkrete Liebe eines Menschen hier in Kamen zu ihm zurückgebracht worden. Wir hatten gar nichts, als wir ankamen und er hat sich wie ein Vater um uns gesorgt, hat Möbel, Kleidung und später sogar eine Wohnung für uns besorgt.“ Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, aber es ist wahr. Genauso war es bei der jungen Frau. Jetzt weiß ich, wie nahe uns Gott immer mit seiner Liebe ist und dass wir eine Familie ohne Grenzen sind. Mein Herz ist jetzt auch immer bei ihm, dem nahen Gott, den ich vorher gar nicht richtig kannte. Mein Leben hat ganz neu angefangen.
Auf dem Bürgersteig kam mir eine ältere Frau auf ihrem Elektro-Rollstuhl entgegen. Ich kenne sie schon seit längerer Zeit und wir haben immer wieder ein paar Worte gewechselt. Sie strahlt mich voller Freude an: „Wie schön, dass ich Sie hier treffe! Ich wollte Ihnen eine kleine Spende geben!“ Dann suchte sie nach einem alten vergilbten Briefumschlag und gab mir ihn. Dann verabschiedeten wir uns. Als ich ihn später in meiner Wohnung öffnete, fand ich einen Zettel mit – mittlerweile – unbeholfener Handschrift geschrieben: „Spende - für kranke Kinder ohne arme Familien“ Dazu hatte sie 10 Euro gefügt. Gerührt durch dieses Geschenk stand ich da. Diese Frau hatte nicht viel, aber ihr Herz teilte das, was sie hatte.
Seit Jahrzehnten hatten sie auf dem Marktplatz unserer Stadt ihre Produkte angeboten und waren dazu jedes Mal von weither angereist, einfache, dem Leben zugewandte ältere Leute. Jetzt hatten sie Eiserne Hochzeit gefeiert. Am Tag nach ihrem Fest kamen sie noch zur Messe in unsere Kirche, bevor sie sich mit dem Zug wieder auf den langen Heimweg machten. Es war Christkönigs-Sonntag. Ich hatte über das Königtum der Liebe Jesu gepredigt, der uns am Kreuz – dornengekrönt – zeigt, dass echte Liebe „bis ans Ende“ geht. „Diese Liebe haben Sie einander 65 Jahre zeigen dürfen!“ schlug ich am Ende der Predigt die Brücke zu den Jubilaren. Sie freuten sich sichtlich. Die alte Frau strahlte mich an und sagte zu mir: „Ich habe ja für meinen Mann noch ein Lied gedichtet und ich hab’s ihm gestern im Gottesdienst vorgesungen!“ Spontan fragte ich, ob sie es nochmals tun würde. Sie stand auf – mit ihren 91 Jahren, stellte sich vor ihren Mann und sang auswendig – ohne Mikrofon - ihr persönliches Danklied. Ihr 93-jähriger Gatte saß voller Freude in der Bank und bekam während des Liedes immer wieder einen Kuss von seiner Frau auf den Scheitel. Am Ende belohnte die Gemeinde dieses kostbare Zeichen einer spürbaren Liebe mit einem langen Applaus.
„Kannst Du mir helfen, dass wir noch einen Stromgenerator für das Krankenhaus in Cherson bekommen?“ las ich in einer WhatsApp-Nachricht. Mein Herz stockte, dann wir hatten gerade noch 9 solcher Generatoren mit 7,5 KW für einige Bunker im Bezirk Chmelnytzkyj gefunden. Ich wusste, wie schwierig es war, weitere Geräte zu finden. Aufgrund des Krieges in der Ukraine schien der europäische Markt wie leer gefegt. Im Netz stand für das benötige Gerät auf allen verfügbaren Webseiten: „ausverkauft“ oder „zurzeit nicht verfügbar“! Ich betete kurz zu Jesus: „Wenn es Dein Wille ist, lass uns noch ein Gerät finden!“ Die Suche ging weiter. Internet-Recherche – Anrufe – Whatsapp-Kontakte… alles blieb erfolglos. Als ich aufgeben wollte, hatte ich den Eindruck eine innere Stimme zu hören, die mir sagte: „Versuch’s noch einmal!“ Erneut ging ich auf eine Internet-Plattform. Und dort, wo vor wenigen Minuten noch „zurzeit nicht verfügbar“ gestanden hatte, war ein Gerät zu kaufen. Schnell wurde ich tätig und kaufte es – immer noch unsicher, ob das nicht ein Versehen war. Der Kauf schien zu gelingen. Ich wartete auf eine Bestätigung. Spät abends bekam ich per Mail die Information: „Das Gerät wurde versandt. Es ist auf dem Weg zu Ihnen.“ Mit einer Träne im Auge machte ich mein Abendgebet.
Bewegende Augenblicke hatten wir in einem adventlichen Konzert mit ukrainischen Kindern und Jugendliche erleben dürfen. Beim Solo einer 6-jährigen, bei einer Tanz-Performance vieler Kinder und beim Lied „Gott rette die Ukraine“ wie bei allen Darbietungen waren eine tiefe Freude und zugleich ein unendlicher Schmerz zu spüren. Nach dem Konzert kam eine Ukrainerin mittleren Alters zu mir. Sie hat sich entschieden, mit ihrer Familie in Deutschland zu bleiben. Sie war mit ihrer jüngeren Schwester und deren kleinen Sohn gekommen. Ihr Bruder lebte auch mittlerweile in einer Flüchtlingsunterkunft in Deutschland. Alle weit verstreut und doch einander nah. Ich schaute in ihre Augen – voller Tränen. Sie schaute mich an und ließ mich verstehen: „Ich bin so gerührt. Während des Konzertes musste ich immer wieder weinen. Danke, dass Ihr das alle möglich gemacht habt. Es ist so eine Liebe hier zu spüren!“ Dann nahm sie mich in den Arm und weinte zu Herzen gehend. Als ich später die Kirche abschloss, kamen mir Tränen. Ich durfte verstehen: Jesus - verborgen in der Mitte dieser vielen Flüchtlinge – lebendig am Werk, wie vor 2000 Jahren, als Flüchtlingskind unter Flüchtlingen, am Rande der Welt - ER, die Seele der Welt von heute.
Ich war Yulia aus der Ukraine begegnet. Sie kam aus Kherson. Unter Tränen hatte sie mir erzählt, dass das Luchansky-Krankenhaus in ihrer Stadt kaum noch Strom hatte. 9 Generatoren hatten wir schon für griechisch-katholische Gemeinden organisiert. Der Markt schien leer gefegt. Doch ich spürte: Wag’s noch einmal! Nach zwei Stunden Recherche im Internet kam mir der Impuls: Such noch eine Minute länger! Ich blieb dran. Und dort, wo eben auf Webseiten „ausverkauft“ und „zurzeit nicht lieferbar“ gestanden hatte, fand ich jetzt ein Modell mit 7,5 Kilowatt Leistung. Genau das, was wir suchten! Wenige Tage später wurde er geliefert. Als der LKW-Fahrer den Generator ablud und ich ihm sagte: „Der geht jetzt in die Ukraine nach Kherson!“ klopfte er mir mit Tränen in seinen Augen auf die Schultern und sagte: „That made my day! – Danke für Euer Engagement für die Menschheit. Ich bin Libanese. Ich weiß, was es bedeutet, Hilfe zu bekommen!“
Am Dienstag kam der Anruf eines Herrn, der über verschiedene Umwege den Tipp bekommen hatte, in dem Begegnungszentrum, das ich leite, nachzufragen, ob wir eine ukrainische Familie mit drei Kindern aufnehmen können. Dabei sind Zwillinge, die gerade einmal 2 Monate alt sind. Ab Januar war schon eine Wohnung für die Familie gefunden, aber bis dahin brauchte es eine Zwischenlösung. Wir haben in unserem Zentrum ein Appartement, das für die Familie perfekt ist. Allerdings ist es noch bis Sonntag belegt und die Familie hätte kurzfristig für die Tage in ein Hotel gehen müssen. Nachmittags erzählte ich meiner Mutter von dem Anruf. Spontan sagte sie: „Die Familie kann gern für die 4 Tage in mein Gästezimmer ziehen!“ Am Abend kam meiner Mutter dann das Tagesmotto in den Sinn: „Gott sucht dich!“ Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es so konkret werden würde. Die junge Familie ist gestern gesund und munter nach einer langen Reise über Moldawien bei uns angekommen. Die Dankbarkeit von ihnen und ihren Freunden in unserer Stadt ist sehr groß.
In unserer Nachbarschaft hatte ich mitbekommen, dass sich ein älterer Mann auf seine letzte Lebensreise machen würde. Über viele Jahre hatten wir nicht weit voneinander gewohnt und waren einander immer mit großer Freundlichkeit und Herzlichkeit begegnet. Mich bewegte die Frage, wie ich ihn noch einmal „erreichen“ könnte. Ich begegnete seinem Sohn und sprach ihn an. Ich ließ ihn verstehen, wie nahe ich mit meinen Gedanken und Gebeten bei seinem Vater war. Ich trug dem Sohn auf: „Sag bitte noch einmal Deinem Vater, ich würde fest an ihn denken und ihm für sein Leben danken!“ Zwei Tage später starb der alte Mann. Der Sohn hatte ihm meine Botschaft noch sagen können. Sie hatte sein Herz erreicht.
Als ich kurze Zeit später erfuhr, dass sich die Mutter meiner Chefin auch bald aus dieser Welt verabschieden würde, legt ich ihr eine ähnliche Bitte ans Herz. „Sag Deiner Mutter doch bitte von mir, dass sie eine tolle Tochter habe und wir uns in unserem Team sehr freuen würden, sie als Chefin zu haben.“ Sie brachte diese Botschaft ins Krankenhaus, die auch ihr Herz noch erreichte. Wenig später war sie nicht mehr ansprechbar.
Mehreren ukrainischen Flüchtlingsfamilien hatte ich einen Weihnachtsbaum geschenkt. Im Gebet am Abend kam mir ein junges Flüchtlingsehepaar aus Afghanistan ins Herz, die ich seit mehreren Jahre kenne und denen ich bei ihrer Ankunft in Deutschland viel geholfen hatte. Per WhatsApp fragte ich an, ob sie einen Weihnachtsbaum gebrauchen könnten. Ihre Antwort: „Wir würden uns sehr darüber freuen!“ Also besorgte ich noch einen Baum und einen Ständer und fuhr zu ihnen. Sie baten mich, noch ein wenig zu bleiben – auf einen Tee. Sie hätten sich keinen Weihnachtsbaum leisten können. Aber die Kinder hatten immer wieder gefragt, ob sie auch einen bekämen. Nun stand ein Baum in ihrer kleinen Wohnung. Die Kinder spielten im Zimmer und wir saßen zu dritt und fanden in einen tiefen Austausch. Am Ende ließ mich die junge Mutter, die als 16-Jährige in Deutschland angekommen war, verstehen: „Ich hatte Gott verloren. Ich war nach den schweren Erfahrungen der Flucht total im Dunkel! Ich hatte große Angst. Du bist einfach immer wieder gekommen und warst da für uns. Durch Deine Liebe, die so echt und ehrlich war, war ich tief angerührt. Du hast mich verstehen lassen, was Wahrheit ist. Du warst der einzige neben meinem Ehemann, der mich umarmen durfte. In Deiner behutsamen Umarmung habe ich Gott neu gefunden!“ Als ich das hörte, traf es mich ins Herz. Mir kamen Tränen, den beiden ebenfalls. Gott war am Werk. In den nächsten Tagen bringe ich dieser Familie noch einen beleuchteten Stern, denn im Licht der Liebe sind wir dem begegnet, für den der Stern über Bethlehem erschienen ist.
10 Generatoren hatten wir für die Ukraine besorgen können. Am nächsten Tag sollten sie mit einer Spedition in die Ukraine gebracht werden. Dazu hatten wir noch90 Pakete für Kinder und Familien der griechisch-katholischen Priester gepackt. Drei Pakete fehlten noch. Mein Tag war voller Arbeit und dennoch: Die drei Kinder dürften wir nicht „unbeschenkt“ lassen. So stand ich früh auf und fuhr in den Supermarkt, um Süßigkeiten zu besorgen. Selbstgestrickte Socken hatte ich auch noch geschenkt bekommen. Es war der Nikolaustag. Ein Schokoladen-Nikolaus war von einer stadtweiten Lehrer-Beschenk-Aktion am Vortag übrig geblieben. „Schenk ihn der Kassiererin, wer immer es sein mag!“ kam mir in den Sinn. Als ich an die Kasse kam, legte ich meine Ware aufs Band. Bevor die junge Mitarbeiterin beginnen konnte, die Waren einzuscannen, bat ich um eine kurze Unterbrechung. Erstaunt und ein wenig verwundert schaute Sie mich an. „Wissen Sie, heut ist der Nikolaustag. Und der Nikolaus kommt heut in ganz gewöhnlicher Kleidung daher!“ Dann schenkte ich ihr mit einem Lächeln den Schoko-Nikolaus. Total berührt schaute sich mich erneut an. „Oh, das hätte ich doch glatt vergessen! – Was für eine Freude! – Danke, dass Sie an mich gedacht haben!“
Meine Frau und ich waren spazieren. Bei dem Haus einer befreundeten Familie sagte sie: „Ich muss hier noch schnell etwas abgeben. Ich bin gleich wieder da.“ Ich wollte auf sie vor dem Haus auf dem Gehsteig warten. Ich wartete und wartete. Langsam wurde ich ungeduldig und negative Gedanken stiegen in mir hoch. Ich schaute auf die Uhr. Fünf Minuten wollte ich ihr noch geben, dann würde ich an der Haustüre Sturmläuten. Ganz unerwartet kam mir der Gedanke: „Segne doch in der Zwischenzeit alle die Personen, von deren Not du weißt.“ Plötzlich waren alle Ungeduld und negativen Gedanken verschwunden und ich konnte dann meiner Frau völlig gelöst begegnen. Erst später fiel mir ein, dass unser Tagesmotto lautete: „Im Alltag Gottes Liebe entdecken!“ ER hatte mir den Gedanken zum Segnen geschenkt.
Spät abends erreicht mich eine WhatsApp Nachricht. „Darf ich Dich um das Gebet für den Vater meines Freundes bitten? Er ist in den heftigen Kämpfen um Bachmut gestorben.“ Ich bin gerade in der Kirche und stelle in der Dunkelheit eine Kerze für ihn auf und schicke sie als Foto nach Kiew. Am nächsten Tagen bereite ich mit einer jungen Mutter den Nikolausabend in der orthodoxen Tradition für die Kinder der Ukraine in unserer Stadt vor. Ich erzähle ihr von der abendlichen Botschaft. Sofort beginnt sie mir all die Namen derer zu nenne, die schon aus ihrer Verwandtschaft gestorben sind. Schweigend sitzen wir ein paar Augenblicke da, mit Tränen in den Augen. Nachmittags verteile ich ein paar Weihnachtsbäume. Ich begegne einer Mutter, die mit drei Kindern aus der Ukraine bei uns angekommen ist. Auf die Frage, ob sie einen Weihnachtsbaum wolle, schüttelt sie den Kopf: „Dieses Jahr sind wir nicht in Weihnachtslaune! Frag meine Kinder.“ Als ich sie später frage und sie sich mit ihrer Mutter besprechen, lehnen auch sie das Angebot ab: „Dieses Jahr nicht!“ Während sie das sagen, schaue ich in tieftraurige Augen. Was sie wohl alles bewegen mag? Als ich abends in der Kirche bete, wandert mein Herz bei all diesen Menschen vorbei. Wie viele Tränen werden in dieser Nacht wieder geweint? Fern der Heimat, allein mit großer Verantwortung, unsichere Zukunft, Angst um die Lieben, die geblieben sind, Allein mit so vielen schweren Nachrichten… Ich versuche all das mit auszuhalten. Schweigend lege ich es in der Stille ans Herz dessen, der uns zugesagt hat: „Seid gewiss, ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Welt!“
Vor Jahren hatte sie an der Firmvorbereitung in unserer Pfarrei teilgenommen. Ganz lose hatte sich der Kontakt gehalten. Jeden Morgen bekam sie das Tagesmotto via SMS zugestellt. Mittlerweile hatte sie ihre Berufsausbildung erfolgreich beendet und arbeitet als Polizistin in einer Stadt fern ihrer Heimat. Unvermutet musste ich an sie denken. So schickte ich ihr eine herzlichen Gruß via WhatsApp. Wenige Augenblicke später kam eine Antwort. Sie ließ mich wissen, wie froh sie war, dass der Kontakt auch über die Firmung hinaus gehalten hatte. „Und das soll auch in Zukunft so bleiben! Ich verstehe mich total gut mit meinen Kolleg*innen. Ich bekomme ja jeden Tag die Kurzimpulse aus dem Evangelium. Ich teile sie mit all meinen Kolleg*innen an meiner Arbeitsstelle. Das hilft uns sehr!“
Die Tage waren voller Arbeit. Ein Treffen mit einer größeren Gruppe stand an. Ich war gebeten, dort etwas von den go4peace-Aktivitäten in der Ukraine zu erzählen. Gerade am Vortag hatten wir begonnen, das Projekt „Generatoren für die Ukraine“ zu lancieren. Wegen der vielen Arbeit bohrte die Frage in mir: Sollst Du fahren oder absagen? Ich entschied mich: „Ich fahre hin, um zu lieben!“ Es ergaben sich viele kleine Gespräche in großer Dichte und Ehrlichkeit. Dann erzählte ich von der Freundschaft zu einem ukrainischen Priester. Ich erzählte, wie aus notvollen und tränenreichen Augenblicken am Telefon jede Aktion geboren worden war: 6 Feldküchen für die Ukraine, ein Kinderdorf für die Ukraine, das Projekt „Miteinander“ und nun auch das Projekt „Generatoren für die Ukraine“. Immer neu hatte ich in den Augenblicken, als die Ideen aufkamen, den Eindruck, Jesus klopft in den Notleidenden an die Tür Deines Herzens. So war die Entscheidung jedes Mal gefallen, diese Wege zu gehen. Gebannt hörten die Teilnehmer des Treffens zu. Am nächsten Tag ein Anruf: „Wir waren so angerührt, dass wir uns als Familie entschieden haben, die Kosten für einen Generator zu übernehmen!“ Kurz danach eine erneute Mail: „Und meine Schwiegermutter hat sich entschieden, das auch zu tun!“ Direkt nach dem Start der Aktion hatte auch schon ein mir unbekannter Mann angerufen und mich wissen lassen: „Mit unserer Pfarrei übernehmen wir die Kosten für einen Generator!“
Bei unseren letzten Telefonaten hatte ich gespürt, wie schlecht es ihm ging. Ich merkte: Er braucht einen Bruder. So bin ich in der Früh aufgebrochen und war nach 900 Kilometern bei ihm in Tschechien. Ich kam in das alte Haus, in dem er nun wohnen musste und fiel fast um vor Schock. Das Dach total undicht. Im Erdgeschoss nur Chaos. Herumstehende Schränke, Tische und Stühle. Es war eiskalt. Es pfiff durch die Fenster. In drei Räumen Meter hohe Stapel mit unendlich viel Papier und Büchern... Keine Küche, keine Spüle, keine Waschmaschine und alles dreckig. Im ersten Stock lagen hunderte Kreuze und dunkle alte Bilder und 1000sende von Büchern... Es war kalt und muffig, ekelig... und in all dem musste er leben. Er war wie gelähmt. Ich kannte ihn so nicht. Mein Kaputt-Sein war sofort verfolgen und wir begannen zu überlegen, zu planen und aufzuräumen. Nach über 24 Stunden Arbeit war viel geschehen. Für abends hatten sich Jugendliche angesagt. Mein Mitbruder hatte noch Messe. Ich bin - unter dem Vorwand einige Anrufe machen zu müssen - nicht mitgegangen, sondern hab weiter gearbeitet, um für den Besuch der Jugendlichen alles schön zu machen. Und dann kam Tomas zurück. Er hatte Tränen in den Augen, als er das Zimmer sah. Es war zu einem Zuhause für ihn geworden. Dann kamen die jungen Leute. Sie spürten, was geschehen war. Wir saßen in der kleinen Runde und begannen total einfach zu erzählen. Im Nu war ein Klima da, als würden wir uns schon ewig kennen.
"Bitte bete für einen kleinen Jungen meiner Schule", las ich in einer Mail. Und dann erschreckte mit folgende Erfahrung: „Die Tür eines Klassenraumes unserer zweiten Schuljahre stand während der Frühstückspause auf. Diese Klasse unterrichte ich selber nicht. Ich hörte ein Schluchzen und ging hinein. Ein Junge erzählte mir völlig aufgelöst, dass sein Mitschüler Markus ihn geschlagen habe. Ich war von dem Ausmaß der Gewalt geschockt, die in dieser Alltagsstufe absolut selten ist. Der schluchzende Junge hatte eine geschwollene Backe und seine Lippe war aufgeplatzt und blutig. Ich habe ihn getröstet und die Verletzung notdürftig versorgt. Als ich mit Markus darüber reden wollte, sah er durch mich hindurch - starr, wie erfroren. Seine Augen schienen absolut leer. Das hat mich bis ins Mark getroffen. Er ist doch erst sieben Jahre alt. Meine Kollegin erzählte mir, dass der Kleine kein richtiges Zuhause hat. Eine Pflegefamilie wurde nicht gefunden. Im Heim fühlt er sich nicht zu Hause. Er weiß nicht, wohin mit seiner Verlassenheit und Verzweiflung. Wahrscheinlich gibt es niemanden, der ihn aufrichtig liebt. Das ist so furchtbar traurig.“